»Ich schreibe genau das, was mir vorschwebt…«
Ein Interview mit Bernd Frenz

(aus: Nautilus Nr. 75)

Nautilus: Wie kamst du eigentlich dazu, Fantasy-Schriftsteller zu werden? Hat sich das so ergeben, oder war es schon früh dein Wunsch?

Bernd Frenz: Da geht es mir sicherlich wie den meisten Autoren – ich habe mir schon immer gerne Geschichten ausgedacht und niedergeschrieben, nicht nur Fantasy, sondern auch Krimis oder historische Sachen. Die erste längere Geschichte habe ich so mit vierzehn verfasst. Die Initialzündung, regelmäßig Kurzgeschichten zu schreiben, kam für mich, als ich bei einem Storywettbewerb in den 1980er Jahren den ersten Platz belegt habe. Auch während meiner kaufmännischen Ausbildung und eines BWL-Studium habe ich immer nebenbei geschrieben. Ende der 90er konnte ich dann meine ersten Sachen an Bastei verkaufen. Dadurch war ich bei der Endzeitserie Maddrax von Anfang an dabei, konnte dort den Kosmos mitgestalten und auf diese Weise Geld verdienen. So hat es sich Schritt für Schritt ergeben, dass ich vom Schreiben leben konnte.

N: Die Blutorks sind so eine Art Naturvolk, eine Stammeskultur. Spielen da reale Vorbilder eine Rolle, amerikanische Ureinwohner oder die frühen Kelten?

BF: Die frühen Pikten, wie sie von Robert E. Howard darstellt wurden, sind sicher als Einfluss zu nennen. Aber auch generell die Konflikte, die bei jedem Zusammenprall zwischen einer technisch fortgeschrittenen und einer naturnahen Kultur auftreten, da gibt es ja genügend Beispiele in der Menschheitsgeschichte. Aber ich habe dafür jetzt nicht explizit recherchiert.

N: Mir ist aufgefallen, dass die Kulturen der Elfen, Orks und Menschen sich von gängigen Klischees unterscheiden. Bist du da systematisch vorgegangen? Hast du zum Beispiel verglichen, wie andere Autoren mit Stereotypen umgehen?

BF: Systematisch dagegengehalten habe ich jetzt nicht, aber jeder Autor versucht natürlich sich vom bereits Bestehenden abzugrenzen. Ich habe schließlich schon eine Menge gelesen, und weiß entsprechend, was mir selbst gefällt und was nicht. Das ist ohnehin das Einzige, was du als Autor machen kannst. Das schreiben, was du selbst gut findest – und dann hoffen, dass möglichst viele Leser deinen Geschmack teilen.

N: Die Blutorks haben einen recht düsteren Touch. Schwebte dir dabei auch die Wirklichkeit früher Kulturen vor, die ja mit dem Mythos vom edlen Wilden wenig gemein hatten?

BF: Der Bezug zu historischen Vorbildern ist zweifellos da, aber es ging mir in den drei Romanen vor allem darum, die Orks als komplexe Kultur darzustellen, in der es auch einen normalen Alltag und nicht nur Raubzüge und Scharmützel mit anderen Völkern gibt. Das eine ganze Kultur ausschließlich von Mord und Brandschatzung lebt ist doch wenig glaubhaft. Mein Herz schlägt außerdem immer ein bisschen für die bösen Jungs, darum wollte ich die Orks gerne etwas positiver darstellen als sie normalerweise wegkommen.

N: Liegt der düstere Touch daran, dass die Orks im Zentrum stehen, oder entspricht das deiner persönlichen Neigung?

BF: Sicherlich liegt es auch daran, dass es um Orks geht. Wo die auftauchen, wird hingelangt, darum kommst du als Autor nicht herum. Natürlich lese ich auch gerne selbst düstere Geschichten, aber nicht nur. Ich bin da schon vielseitig interessiert.

N: Fantasy ist inzwischen sehr populär. Siehst du es als Bereicherung an, wenn ständig neue Romane über Elfen, Orks, Trolle und Co erscheinen, oder eher als Gefahr?

BF: Eine Gefahr im Sinne von Verflachung sehe ich eigentlich nicht. Die Möglichkeiten, Fantasy zu veröffentlichen, waren in Deutschland noch nie so gut wie heute. Und je mehr Autoren veröffentlichen, desto mehr Ideen werden umgesetzt. Was sich davon hält, entscheiden letztendlich die Leser.

N: Wie schätzt du die Möglichkeit ein, in der Fantasy wirklich Neues zu entwickeln und dafür einen Verleger zu finden?

BF: Die Möglichkeit Neues zu entwickeln ist immer gegeben! Natürlich denken Verlage sehr ökonomisch und entscheiden entsprechend, was in ihre Programmplanung passt, in diesem Punkt darf man sich nichts vormachen, aber jeder Autor hat die Chance, die Redaktionen mit seinen Ideen und Manuskripten zu überzeugen. Allein der Autor entscheidet, was er schreibt.

N: Wie frei bist du in deiner Themenwahl? Ruft Blanvalet bei dir an und fragt: „Herr Frenz, wir wollen was über Orks herausbringen. Können Sie das übernehmen?“

BF: Nein, nein, ich schreibe schon genau das, was mir vorschwebt. Allerdings verfasse ich keine Romane ins Blaue hinein und biete sie dann fertig an, sondern stimme mich vorher mit den Verlagen ab. Das heißt, ich erstelle mehrere Kurzexposes und die entsprechende Redaktion berät dann, ob eine der Ideen ins Programmkonzept passt. Wenn es dabei zu einer Übereinstimmung kommt, lege ich los, wenn nicht, muss ich mich halt anderweitig umsehen. Das Konzept für die Blutorks schlummerte z.B. schon fix und fertig auf meiner Festplatte, als ich das erste Mal mit Blanvalet in Kontakt getreten bin. Da es aber genau etwa in der Art war, was die Redaktion haben wollte, sind wir uns sehr schnell einig geworden.

N: Die Blutorks sind komplexe Persönlichkeiten, keine dümmeren Menschen, sondern andere Menschenähnliche. In Avatar sind die „ganz Fremden“ z.B. so eine Art Hippie-Kommune, für jeden verständlich, aber nicht so, wie eine ganz andere Kultur wäre. Wie schätzt du die Möglichkeit ein, sich in wirkliche Andersartigkeit hineinzudenken und dies sogar lesbar zu gestalten? Ich denke zum Beispiel an kollektive Intelligenzformen, kluge Insekten oder Krakenwesen. Geht das überhaupt?

BF: Eine völlig fremdartige Sichtweise zu entwickeln, ist sicherlich nur schwer möglich. Die Leser müssen schon einen Bezugspunkt finden, mit dem sie sich identifizieren können. Die Orks sind zwar anders als Menschen, trotzdem kann man sich noch in ihre Denkweise hinein versetzen. Natürlich können Autoren da noch wesentlich weiter gehen als ich es getan habe, doch je fremdartiger solche Schilderungen werden, desto weniger Leute sind bereit, ihnen zu folgen. In der Literatur ist der zur Verfügung stehende Spielraum aber erheblich höher, als z.B. in der Filmbranche, wo in der Vorfinanzierung ungeheure Summen im Spiel sind. In Hollywood wird natürlich allergrößten Wert auf Massenkompatibilität gelegt. Um mal bei deinem Beispiel „Avatar“ zu bleiben: Ich bin mir sicher, James Cameron wäre in der Lage gewesen, die Navi wesentlich fremdartiger darzustellen, doch um die ernormen Produktionskosten wieder einzuspielen, war er darauf angewiesen, ein möglichst breites Publikum anzusprechen. Genau aus diesem Grund werden ja viele Buchvorlagen bei einer Verfilmung „glatt gebügelt“.

N: In den exotischen Erzählungen des 18. und 19. Jahrhunderts hatten fiktive Indianer oder Südsee-Häuptlinge die Funktion, den Finger auf die Wunde der europäischen Verhältnisse zu legen, also Kritik zu äußern, die nicht offen ausgesprochen werden konnte. Hat Fantasy heute eine ähnliche Funktion?

BF: In den wenigsten Fällen, würde ich sagen, obwohl das natürlich möglich ist. Schließlich hat Jonathan Swift mit „Gullivers Reisen“ nicht nur einen Vorläufer der Fantasy sondern auch eine Satire auf die Gesellschaft seiner Zeit geschrieben. Aber dieser Kunstgriff wird eher angewandt, wenn es für die betreffenden Autoren keine Möglichkeit gibt, ihre Meinung unverblümt auszusprechen, also bei politisch eher repressiven Systemen.
Ich persönlich möchte vor allem spannend unterhalten und niemanden belehren, was aber natürlich nicht heißt, dass sich nicht auch der eine oder andere tiefer gehende Gedanke in eine Fantasy-Geschichte einbauen lässt. Aus meiner Sicht hat die Fantasy aber vor allem die Funktion des klassischen Abenteuerromans übernommen. Sie erfüllt das Bedürfnis nach dem Geheimnisvollen, nach einer anderen Welt, die über die Enge der selbst erfahrenen Wirklichkeit hinausgeht. Karl Mays Erzählungen oder Stevensons Schatzinsel haben früher ähnliche Bedürfnisse gestillt. Für den Leser der Weimarer Republik oder der Nachkriegszeit waren deren Geschichten mindestens ebenso exotisch, wie für uns eine Fantasywelt. Abenteuerromane in dieser Form werden aber kaum noch geschrieben, und wenn doch, dann eher mit einem ironischen Unterton im Stile von „Indiana Jones“, denn heutzutage ist viel mehr über die historischen Realitäten bekannt. Bestimmte archetypische Figuren, wie Ritter oder Piraten, haben aber nichts an Attraktivität verloren. Deshalb tauchen sie auch in der einen oder anderen Form wieder in den Fantasy-Romanen auf.

N: Welche Rolle spielen deine eigenen Lebenserfahrungen? Bei der „schwarzen Marsch“ musste ich unweigerlich an das Steinhuder Meer und das Tote Moor denken. Ist es besser, vertraute Landschaften, Städte und Dörfer als Vorbild zu nehmen, oder sich etwas ganz anderes auszudenken?

BF: Interessante Frage. Die Ähnlichkeit zum Steinhuder Meer ist mir beim schreiben gar nicht aufgefallen, aber da ist sicherlich etwas dran. Unbewusst spielen vertraute Elemente vermutlich immer eine Rolle. Trotz aller Planung geschieht da auch viel aus dem Bauch heraus. Die beiden Karten, die in den Romanen abgedruckt sind, standen zwar schon relativ früh fest und haben mir auch sehr dabei geholfen, mir ein komplexes Bild meiner Welt zu verschaffen, aber viele Ideen kommen tatsächlich erst beim Schreiben. Das macht für mich auch den Spaß an der Arbeit aus. Die Momente, in denen ich selbst von den Figuren oder den Geschehnissen überrascht werde. Sonst wäre mir das Ganze auch zu langweilig.

N: Was rätst du jungen Menschen, die Fantasy-Schriftsteller werden wollen?

BF: Erst einmal selbst viel lesen, das ist die Grundvoraussetzung. Und dann möglichst viel schreiben, so banal sich das auch anhört. Dafür braucht man notfalls nur Papier und einen Stift und hat dabei nichts zu verlieren. Ich würde allerdings niemals planen, „in zwei Jahren bin ich Fantasy-Schriftsteller und verdiene damit mein Geld“. Das klappt mit Sicherheit nicht. Wichtig ist aus meiner Sicht vor allem, nicht ewig an ein und demselben Text herumzufeilen, sondern lieber eine Geschichte zu beenden, auch wenn man nicht hundertprozentig mit ihr zufrieden ist, und es dafür bei der nächsten besser zu machen.
Der Rest ergibt sich dann – eine gewisse Ausdauer vorausgesetzt – von alleine.

N: Was dürfen die Leser von Bernd Frenz in Zukunft erwarten?

BF: Weitere Fantasy, ganz klar. Bei meinem nächsten Roman stehen allerdings keine Orks, sondern Menschen im Mittelpunkt. Und es wird wieder ziemlich düster werden.

N: Danke schön.

Das Interview führte Utz Anhalt





Die Fantasy-Welten von Bernd Frenz

Bernd Frenz ist mit den Klassikern der Abenteuer- und Fantasy-Literatur aufgewachsen. Er gehörte zu den Hauptautoren der Endzeit-Serie »Maddrax« und verfasste mehrere Romane zu dem Computerspiel »Stalker – Shadow of Chernobyl« bei Panini Books. Die Blutorks sind sein bisher größtes Epos.

Wieselflink: Der erste Band deiner Trilogie wurde im vergangenen Dezember ausgeliefert, der dritte liegt bereits auf der Leipziger Buchmesse aus. Damit sind drei Romane innerhalb eines halben Jahres erschienen. Wie lange hast du an diesem Epos gearbeitet? Und warum die rasche Veröffentlichungsweise?

Bernd Frenz: Ich habe an allen drei Bänden ungefähr ein Jahr lang geschrieben. Da in ihnen eine zusammenhängende Geschichte erzählt wird, lag es nahe, sie rasch hintereinander auf den Markt zu bringen, damit der Abstand zwischen den einzelnen Teilen nicht zu groß für die Leser wird. Der erste Roman, der den Titel »Der Krieger« trägt, steht noch einigermaßen für sich alleine, aber die beiden Fortsetzungen gehen nahtlos ineinander über. Da war es schon nötig, die Leser nicht allzu lange auf die Folter zu spannen. Wer jetzt erst einsteigt, hat natürlich den Vorteil, dass die Saga bereits komplett vorliegt.

Wieselflink: Die Trilogie läuft unter dem Oberbegriff »Blutorks«, das klingt ja erstmal recht blutrünstig…

Bernd Frenz: Das mag auf den ersten Blick so wirken, aber meine Orks heißen eigentlich nicht Blutorks, weil sie so unglaublich brutal sind, sondern weil sie einem Feuerkult anhängen. Sie glauben nämlich an das »Blut der Erde«, und damit ist die Lava gemeint, die ihr Land in feurigen Strömen durchzieht. Ihre größten Gegner beten dagegen den »Atem des Himmels« an, der in direkter Konkurrenz zum »Blut der Erde« steht. Im Laufe der Handlung zeigt sich jedoch, dass beide Glaubensrichtungen mehr miteinander zu tun haben, als die verschiedenen Völker selbst vermuten. Natürlich gibt es in den drei Romanen auch jede Menge handfeste Action, das ist klar, aber neben heftigem Schwerterklirren erwartet die Leser auch ein groß angelegter Hintergrund, der einiges an Geheimnissen und Überraschungen zu bieten hat.

Wieselflink: Was unsere Leser besonders interessieren dürfte: du bist auch ein bekennender Fan der franko-belgischen Comickunst!

Bernd Frenz: Das ist richtig. Ich bin ja in einer Zeit aufgewachsen, in der es nur drei Fernsehprogramme gab, da hatten Magazine wie Primo oder Zack schon einen ungeheuer großen Stellenwert. Da gab es kein Heft, das nicht mehrere Dutzend Male durchgelesen wurde, denn Serien wie Leutnant Blueberry, Comanche, Andy Morgan oder Bruno Brazil haben damals Inhalte transportiert, die es für Jugendliche sonst nirgendwo zu sehen gab. Diese Hefte haben meine Fantasie ordentlich angeregt, besonders, wenn mir wieder mal eine Ausgabe fehlte und ich mir die fehlenden Fortsetzungen selbst ausmalen musste. In Frankreich und Belgien sind Comics ja ein anerkanntes Medium, das sich auch ganz selbstverständlich an Erwachsene richtet. Bei uns hat sich dieses Bewusstsein leider nie flächendeckend durchgesetzt, aber in den 80ern gab es immerhin Magazine wie U-Comix und Schwermetall am Kiosk, die ganz klar erwachsene Stoffe zum Inhalt hatten.
So bin ich als Leser fortlaufend am Ball geblieben.

Wieselflink: Und nicht nur das. Du hast auch viele Rezensionen und Artikel zum Thema geschrieben und textest ab und zu Comics, die sogar in den USA veröffentlicht werden.

Bernd Frenz: Ja, das stimmt. Während meines Studiums bekam ich Kontakt zu dem Bremer Comicmagazin »Panel« - und damit zu vielen deutschen Zeichnern. Das war für mich der Einstieg, mich auch kreativ in diesem Medium zu betätigen. Dass ich irgendwann im amerikanischen Heavy Metal veröffentlichen würde, habe ich seinerzeit natürlich nicht einmal zu träumen gewagt. Für mich ist das schon die Erfüllung eines alten Jugendtraumes, der nur noch durch eine Veröffentlichung im franko-belgischen Raum übertroffen werden könnte. Im Prinzip sind die Comicsszenarien aber nur ein kleines Hobby, das ich mir aus Spaß an der Freude gönne. In erster Linie widme ich mich den Romanen, in denen ich natürlich wesentlich komplexere Geschichten erzählen kann.

Wieselflink: Fantasy boomt auch weiterhin. Was glaubst du, woran liegt das?

Bernd Frenz: Ich denke, dass das Bedürfnis nach Mythen und Märchen – oder ganz allgemein nach dem Geheimnisvollen – in jedem Menschen fest verankert ist. Und je stärker unsere Umwelt vermessen, durchrationalisiert und reglementiert wird, desto größer wird die Sehnsucht nach dem Unbekannten. Da wir heutzutage soviel über unsere Welt wissen, wird es allerdings immer schwieriger, ihr noch etwas Geheimnisvolles abzugewinnen. Ein klassischer Autor wie Henry Rider Haggard brauchte seine Abenteuergeschichten z.B. nur in Afrika spielen lassen und schon war für die Leser seiner Zeit alles vorstellbar. Damals gab es noch große weiße Flecken auf den Landkarten, heute kann jeder sofort Satellitenbilder im Internet abrufen, die ihm das Gegenteil des gerade gelesenen beweisen. Für die Fantasy gelten diese Grenzen hingegen nicht, in ihr ist weiterhin alles möglich.

Aus: Wieselflink 1/2010, ein kostenloses Magazin, das auf der Leipziger Buchmesse verteilt wurde.